Wer heute an irgendwelchen Zipperlein leidet
und seine Symptome im Internet recherchiert, ist spätestens nach einer
Viertelstunde überzeugt, dass es höchste Zeit ist, das Testament zu machen und sich
von den Lieben zu verabschieden, weil der nächste Sonnenaufgang nicht mehr
erlebt wird. Unfug, denken Sie? Von wegen: Immer mehr Menschen, die sich im
Internet über Krankheiten und mögliche Gesundheitsgefahren informieren, reden
sich erfolgreich ein, dass sie tatsächlich krank sind. "Cyberchonder"
werden diese Menschen genannt, die sich stets die schlimmstmöglichen Gründe für
ihre Zipperlein aus dem Internet herauspicken.
Internet verstärkt die Ängste der Menschen
Eine Langzeitstudie von Microsoft ergab zum
Beispiel, dass die meisten Menschen sich nach der Internetrecherche kränker
fühlten als vorher und oft regelrecht in Panik gerieten, weil sie hinter einer
harmlosen Verspannung eine tödliche Herzkrankheit befürchteten. Dabei werde
meistens außer Acht gelassen, dass das Internet lediglich spektakuläre
Einzelfälle herausstelle, über die in den Medien berichtet wurde, während die
Symptome zu 99% ausgesprochen harmlos seien. Ohne direkten Kontakt zu einem
Arzt sollte daher keine "Selbstdiagnose" ernst genommen werden.
Es sind jedoch nicht nur Selbstdiagnosen, die
die Menschen heute verrückt machen: Eine ähnliche Studie der Universität Mainz
ergab, dass viele Menschen sich mögliche negative Gesundheitsfolgen so
erfolgreich einreden, dass sie tatsächlich daran erkranken. In einem Test ging
es um die möglichen Gesundheitsrisiken durch elektromagnetische Wellen, wie sie
beispielsweise das kabellose Internet (WLAN) oder moderne Handys. 147 Probanden
bekamen Antennen auf den Kopf gesetzt, die angeblich WLAN-Signale empfingen.
Dabei handelte es sich jedoch um Scheinsignale ohne elektromagnetische
Strahlung. Trotzdem berichteten 54 Prozent der Probanden über Symptome wie
kribbelnde Finger und Beine, ein Gefühl der Beklemmung oder
Konzentrationsstörungen.
Der Nocebo-Effekt
Die Wissenschaft spricht vom sogenannten
Nocebo-Effekt analog zum Placebo, bei dem ein wirkungsloses Medikament eine
positive Wirkung erzielt, einfach weil der Betroffene fest davon überzeugt ist,
ein wirksames Medikament erhalten zu haben. Beim Nocebo-Effekt stellt sich
dagegen eine negative Wirkung ein, weil der Betroffene überzeugt ist, Schaden
zu erleiden. Vielfach handelt es sich dabei um eine klassische selbsterfüllende
Prophezeiung.
Was also tun? Tatsächliche Symptome nicht mehr
im Internet recherchieren, sondern gleich zum Arzt gehen, ist sicher das Eine.
Das Andere ist, entweder die ständige Panikmache im Internet nicht allzu ernst zu
nehmen oder Gesundheitsseiten im Internet vermeiden.