Donnerstag, 29. August 2013

Der Cyberchonder und das Netz: Wenn Googeln krank macht

Wer heute an irgendwelchen Zipperlein leidet und seine Symptome im Internet recherchiert, ist spätestens nach einer Viertelstunde überzeugt, dass es höchste Zeit ist, das Testament zu machen und sich von den Lieben zu verabschieden, weil der nächste Sonnenaufgang nicht mehr erlebt wird. Unfug, denken Sie? Von wegen: Immer mehr Menschen, die sich im Internet über Krankheiten und mögliche Gesundheitsgefahren informieren, reden sich erfolgreich ein, dass sie tatsächlich krank sind. "Cyberchonder" werden diese Menschen genannt, die sich stets die schlimmstmöglichen Gründe für ihre Zipperlein aus dem Internet herauspicken.


Internet verstärkt die Ängste der Menschen

Eine Langzeitstudie von Microsoft ergab zum Beispiel, dass die meisten Menschen sich nach der Internetrecherche kränker fühlten als vorher und oft regelrecht in Panik gerieten, weil sie hinter einer harmlosen Verspannung eine tödliche Herzkrankheit befürchteten. Dabei werde meistens außer Acht gelassen, dass das Internet lediglich spektakuläre Einzelfälle herausstelle, über die in den Medien berichtet wurde, während die Symptome zu 99% ausgesprochen harmlos seien. Ohne direkten Kontakt zu einem Arzt sollte daher keine "Selbstdiagnose" ernst genommen werden.

Es sind jedoch nicht nur Selbstdiagnosen, die die Menschen heute verrückt machen: Eine ähnliche Studie der Universität Mainz ergab, dass viele Menschen sich mögliche negative Gesundheitsfolgen so erfolgreich einreden, dass sie tatsächlich daran erkranken. In einem Test ging es um die möglichen Gesundheitsrisiken durch elektromagnetische Wellen, wie sie beispielsweise das kabellose Internet (WLAN) oder moderne Handys. 147 Probanden bekamen Antennen auf den Kopf gesetzt, die angeblich WLAN-Signale empfingen. Dabei handelte es sich jedoch um Scheinsignale ohne elektromagnetische Strahlung. Trotzdem berichteten 54 Prozent der Probanden über Symptome wie kribbelnde Finger und Beine, ein Gefühl der Beklemmung oder Konzentrationsstörungen.

Der Nocebo-Effekt

Die Wissenschaft spricht vom sogenannten Nocebo-Effekt analog zum Placebo, bei dem ein wirkungsloses Medikament eine positive Wirkung erzielt, einfach weil der Betroffene fest davon überzeugt ist, ein wirksames Medikament erhalten zu haben. Beim Nocebo-Effekt stellt sich dagegen eine negative Wirkung ein, weil der Betroffene überzeugt ist, Schaden zu erleiden. Vielfach handelt es sich dabei um eine klassische selbsterfüllende Prophezeiung.

Was also tun? Tatsächliche Symptome nicht mehr im Internet recherchieren, sondern gleich zum Arzt gehen, ist sicher das Eine. Das Andere ist, entweder die ständige Panikmache im Internet nicht allzu ernst zu nehmen oder Gesundheitsseiten im Internet vermeiden.

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